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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783552053113
Sprache: Deutsch
Umfang: 224 S.
Format (T/L/B): 2.1 x 21 x 13.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Lautstark gepriesen und verteufelt als konservativ, progressiv, katholisch und marxistisch - bis heute wird Graham Greenes Leben von Verdächtigungen umrankt. Am 2. Oktober 2004 wäre er 100 Jahre alt geworden. "Eine Art Leben", 1971 zum ersten Mal erschienen, erzählt von Greenes Jahren als junger Mann und von seinem "Kampf gegen die Langeweile", der ihn zum britischen Geheimdienst brachte und in dessen Auftrag er zum Beobachter internationaler Krisenherde wurde. Das Buch ist eine Entdeckungsreise nach "Greeneland". Bizarr und faszinierend zugleich.

Autorenportrait

Homepage von Graham Greene

Leseprobe

Eine Autobiographie ist nur "eine Art Leben" - vielleicht mit weniger Irrtümern als eine Biographie, dafür aber zwangsläufig begrenzter: Sie beginnt später und endet früher. Wenn man seine Memoiren nicht gerade auf dem Sterbebett zu Ende führen kann, wirkt jeder Schluß willkürlich. Ich habe es vorgezogen, diesen Versuch mit den Jahren meiner Mißerfolge abzuschließen, die der Publikation meines ersten Romans folgten. Auch Mißerfolge sind eine Art Tod: wenn die Möbel verkauft, die Schubladen ausgeleert sind und draußen der Umzugstransporter, wie ein Leichenwagen, darauf wartet, uns zu einer weniger teuren Behausung zu bringen. Und noch in einem anderen Sinn kann ein Buch nur "eine Art Leben" sein: Denn im Laufe von 66 Jahren habe ich fast ebensoviel Zeit mit fiktiven Gestalten zugebracht wie mit Menschen von Fleisch und Blut, mit realen Männern und Frauen. Und obwohl ich auf meine vielen Freunde stolz sein kann, wollen mir zu den berühmten oder berüchtigten keine Anekdoten einfallen - die einzigen Geschichten, an die ich mich vage erinnere, sind die aus meinen Büchern. Und was veranlaßt mich, diese Vergangenheitsfetzen aufzulesen? Wohl dasselbe Motiv, das mich hat Schriftsteller werden lassen: der Wunsch, ein Chaos von Erlebnissen in eine gewisse Ordnung zu bringen und eine unbändige Neugier. Wir können andere nicht lieben - sagen uns die Theologen -, wenn wir nicht bis zu einem gewissen Maß uns selber lieben; und auch die Neugier beginnt bei uns selbst. Viele meiner Zeitgenossen gefallen sich heute darin, die Episoden ihrer Vergangenheit in Ironie zu tauchen. Das ist als Methode der Selbstverteidigung legitim: "Seht, wie verrückt ich als junger Mensch war!" Es nimmt der Kritik den Wind aus den Segeln, verfälscht aber die Geschichte. Wir waren keine Ritter ohne Fehl und Tadel. Aber unsere Gefühle waren echt, als wir sie durchlebten. Warum sollten wir uns ihrer mehr schämen als der Abgebrühtheit unserer alten Tage? Ich habe mich, vielleicht ohne Erfolg, bemüht, den Verrücktheiten, Sentimentalitäten und Überspanntheiten einer fernen Zeit nachzuspüren und sie zu vergegenwärtigen, wie ich sie damals empfand, ohne Ironie. Kapitel 11Heute weiß ich es: Eigentlich war mein ganzes Leben schon auf den Straßen von Berkhamsted vorgezeichnet. Die High Street war so breit wie mancher Marktplatz, aber ihre ausladende Würde wurde gleich nach dem Ersten Weltkrieg durch ein neues Kino mit grüner maurischer Kuppel entstellt, die zwar eher klein war und uns damals doch als Inbegriff von falscher Pracht und schlechtem Geschmack erschien. Mein Vater, der damals Leiter der Internatsschule von Berkhamsted war, erlaubte es seinen Schülern ein einziges Mal, eine Sondervorstellung des ersten Tarzanfilms zu besuchen, weil er der irrigen Ansicht war, es handle sich um einen didaktischen Streifen von anthropologischem Wert; von da an betrachtete er das Kino nur noch mit einem Gefühl von Düpierung und Mißtrauen. An "unserem Ende" wartete die High Street mit einem zur Hälfte in Tudor-Fachwerk gehaltenen Fotografengeschäft auf (aus dessen Schaufenstern uns die Gesichter der Einheimischen auf den Hochzeitsbildern bekränzt und benebelt wie die Pfingstochsen anstrahlten) und der großen steinernen normannischen Kirche, wo der Helm irgendeines alten Herzogs von Cornwall unbeachtet auf einem Pfeiler ruhte wie ein Bowler auf einem Garderobenhaken. Unten lag der Great Junction Kanal mit dem Grünzeug der Wasserkresse und den trägen bunten Kähnen und ihren Zigeunerkindern, die weit weg schienen; dann der trockene Burggraben voller Bärenklau, der sich um die Überreste der alten Burg zog (sie sei, so hieß Leseprobe